Klientenbericht: akute Traumatisierung


Es war an einem der ersten warmen Frühlingstage, als ich mit meiner 6-jährigen Tochter und weiteren Kindergarteneltern einen Ausflug in einen Wildpark machte. Es war ein recht entspannter Nachmittag und jeder hatte seinen Spaß. Spätnachmittags verabschiedeten wir uns voneinander und fuhren nacheinander wieder Richtung Heimat.
Auf dem Weg nach Hause fuhr ich hinter dem Auto von zwei KiGa-Mamas mit ihren Kindern. Es war eine völlig ruhige, normale Autofahrt.Die beiden mussten eine Ausfahrt eher abbiegen als ich, fädelten sich in die Abbiegespur ein, ein kurzes Winken und ich fuhr mit dem fließenden Verkehr weiter.
Nach vielleicht 100 Metern begann das Auto vor mir rasch nach links zu wandern, ohne erkennbaren Grund. Das Auto fuhr bereits voll auf der Gegenfahrbahn (70 km/h) als ich einen LKW entgegenkommen sah und mir klar war: Kollision unausweichlich: BREMSEN!!!
Dann ging alles ganz schnell.
Das Auto detonierte förmlich im LKW: Scherben, Metall und Kunststoffteile wurden durch die Luft gesprengt. Das Auto flog vor mit über die Fahrbahn und landete im Straßengraben.
– Stille –
Ich versuchte geschockt, die Lage zu überblicken. Stehen alle Autos hinter mir?
Meiner Tochter befahl ich, egal, was passieren würde, sich nicht aus dem Auto zu bewegen.
Als ich ausstieg, begann bereits ein anderer Verkehrsteilnehmer Aufgaben zu verteilen. Ich ging mit ihm zum verunfallten Wagen, wo sich ein grauenvolles Bild darbot.
Das Auto war vorne total zerstört. Ich holte meinen Verbandskasten und reichte Verbandsmaterial. Die Verletzungen der Verunglückten waren katastrophal: Schläuche, Fleisch, Kabel – alles eins.
Später erfuhr ich, dass die Frau noch am Unfallort verstorben war.
Die Feuerwehr traf ein und ich konnte wieder zu meiner Tochter sehen. Ich gab der Polizei meine Personalien und fuhr die letzten Kilometer zitternd und wie gelähmt nach Hause.
Autofahren war ab jetzt für mich Horror. Selber wollte ich nicht mehr fahren, höchstens als Beifahrer.
Jedes Auto um mich herum war eine potentielle Gefahr! In Gedanken bewegten sie sich bereits auf die Gegenfahrbahn. Mein Herz klopfte heftig, ich bremste als Beifahrer schon mit…..
Ständig kreisten meine Gedanken um das Geschehene.
Hätte ich anders reagieren sollen? Hätte ich noch anders helfen können? Wie stehen bei solchen Geschwindigkeiten die Überlebenschancen bei einem Aufprall? …….und immer wieder die Bilder.
Auch schlafen konnte ich nur sehr schlecht. 2, 3 Stunden, dann lag ich wach und grübelte, mit einem ständig flauen Gefühl im Bauch.
Ich entschied mich nach wenigen Tagen für eine Behandlung bei Herrn Rederer.
Mit ihm besprach ich zunächst nochmal das Geschehene und konnte mir alles von der Seele reden. Nachdem wir das weitere Vorgehen besprochen hatten, begannen wir mit der EMDR- Arbeit.
Ich folgte mit den Augen seinen sich hin und her bewegenden Fingern, schloss dann die Augen und er begann mit abwechselndem Antippen auf meine Knie, mir Impulse zu geben.
Ich begann in Gedanken noch einmal mit der Autofahrt und beschrieb diese mit Bildern und den dabei entstehenden Gefühlen: enges Halsgefühl, schwerer Kopf,….
Als wir beim Moment des Aufpralls ankamen, war mir, als würde mein Körper zusammengedrückt werden und brach in Tränen aus.
Hier machten wir erst mal eine Pause und ich konnte mich ausweinen und wieder beruhigen. Mir war in den Kopf geschossen, dass da in dem Auto doch ein lebender Mensch saß, der in diesem Moment heftigsten Kräften ausgesetzt war und dieser zerstört wurde.
Herr Rederer hörte mir sehr einfühlsam zu und ich hatte das Gefühl, dass durch das Weinen und die bewussten Gedanken eine Erleichterung stattfand. Ein „endlich-ist-es-raus“-Gefühl.
Wir begannen von vorne: Impulse, Augen schließen, die Autofahrt begann aufs Neue.
Doch es war anders. Es war jetzt wie ein „Film ohne Ton“. Ohne Gefühle.
Ich fuhr – das Auto detoniert – fliegt über die Straße – der Anblick des Autos.
Doch dann änderte sich der „Film“.
Die in Wirklichkeit bewusstlos gewesene Frau sah mich nun an, ja, sie lächelte mir aus dem Auto zu. Sie sagte zu mir: „Danke, das Du da warst und geholfen hast. Du hast alles richtig gemacht. Du hast gut auf Dich und Dein Kind aufgepasst. Jetzt geh und pass weiterhin so gut auf Deine Familie auf. Alles Gute!“
Ich bewegte mich rückwärts vom Auto weg, stieg in mein Auto und fuhr durch die Scherben hindurch einfach weiter, nach Hause.
Ich öffnete wieder meine Augen und wir unterhielten uns über die „neue Version“. Diese hatte sich ohne mein bewusstes Zutun so verändert.
Diese Version wurde noch verankert und es stellte sich ein erlösendes Gefühl ein.
Nach Hause gefahren hat mich nach der Behandlung mein Mann. Völlig ruhig, ohne jegliche Panik oder Angst.
Nur erschöpft war ich.
Ab der ersten Nacht habe ich tief und fest geschlafen. Auch die nächsten Tage war ich sehr erschöpft, allerdings mit einem tiefen Gefühl der Erleichterung und Ruhe.
Ich traute mich am Tag nach der Behandlung bereits wieder Autofahren, ohne jeglicher Panik oder Angst.
Ab und zu ging ich in Gedanken wieder in meine „2. Version“ zurück, die allerdings immer mehr verblasste und unscharf wurde. Details verschwanden immer mehr im Nebel.
(Für diesen Bericht musste ich mich nochmal gut konzentrieren, um alles zusammen zu bringen. Es kam mir vor, als würde ich von etwas berichten, das mir selbst gar nicht passiert war. Wie ein Film, den ich vor Jahren mal im Fernsehen gesehen hab.)
Das Gesicht der Frau war deutlich geblieben, wir lächelten uns nach wie vor an.
Allerdings begann sie dann zu sagen: „Mädl, jetzt bist Du ja schon wieder da! Ich hab doch gesagt, geh Deiner Wege, ich brauch Dich nicht mehr. Jetzt geh halt endlich!“
Ich fühlte mich von Tag zu Tag weniger erschöpft, frischer und lebensfroher.
Nach einer Woche nach dem Unfall machte ich dann den „Selbsttest“: ich fuhr noch einmal die Strecke ab. An der Unfallstelle fuhr ich völlig ruhig und entspannt vorbei.
Tage nach meinem „Selbsttest“ war ich richtig lebensfroh, ausgeglichen und sogar glücklicher als vor dem Unfall. Ich nahm mein Leben wieder viel intensiver war.
Mir selber bewusst, dass ich ein guter Autofahrer bin, vieles im Griff haben kann und das Gefühl an diesem Erlebnis gewachsen zu sein.
Ich wünsche mir für viele andere betroffene Menschen, die ähnliches erlebt haben, dass sie diese Erleichterung oder Erlösung auf diese Art erfahren dürfen.
Beim Gedanken an das Erlebte und dieser BEFREIUNG aus dem Trauma, könnte ich wieder weinen – aber vor Glück….
Adresse
Heribert Rederer
Lebenszeitbegleitung
Robert-Kothe-Str. 17 b
94315 Straubing